Was hat die Bäuerinnen und Bauern bewegt, in so großer Zahl auf die Straße zu gehen?
Als Folge der aktuellen Haushaltskrise kündigte die Bundesregierung an, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge und die Agrardieselbeihilfe – eine Rückvergütung von gut 20 Cent pro Liter Diesel – zu streichen. Das Vorgehen der Bundesregierung war ausgesprochen unglücklich. Zweifellos, wenn wir die globalen Klimaschutzziele einhalten wollen, müssen alle klimarelevanten Förderungen auf den Prüfstand gestellt werden, auch die landwirtschaftlichen. Aber die Streichung ganz ohne Vorwarnung und Übergangsfristen führte zu verständlichem Ärger. Auch wenn die Einbußen für die allermeisten nicht existenziell sein dürften, bedeuten die Streichungen doch für viele Betriebe Einschnitte in einer ohnehin angespannten Betriebssituation.
In dieser Sache war die Regierung sicher nicht gut beraten.
Wer macht solche Fässer auf?
Gerade jetzt, wo das grüne Landwirtschaftsministerium in Sachen Umbau der Landwirtschaft, in die Umsetzung der Zukunftsstrategie Ökolandbau Gas geben wollte, wird die öffentliche Aufmerksamkeit nun von ganz anderen Dingen absorbiert. Natürlich macht es Sinn, auch die landwirtschaftlichen Maschinen vom fossilen Ölhahn abzukoppeln. Alternative Lösungen waren schon einmal recht weit entwickelt, als in der Landwirtschaft viele ihre Maschinen mit Pflanzenöl betankten. Dank CDU, CSU und SPD wurde aber diesen dezentralen Strukturen im ländlichen Raum mit vielen Ölmühlen sprichwörtlich der Hahn abgedreht. So gibt es kurzfristig für die Bäuerinnen und Bauern zum Diesel betriebenen Traktor keine Alternative, wenn sie auf Acker und Wiese müssen. Einen ÖPNV gibt es hier nicht.
Während man bei der Landwirtschaft streicht, wird anderswo großzügig weggesehen. Der extrem klimaschädliche Flugverkehr wird weiterhin subventioniert, Dienstwagen werden steuerlich begünstigt, und die Pendlerpauschale unterstützt weiterhin ökologisch fragwürdige Fahrten zum Arbeitsplatz. Dass es da zu Frust kommt, ist sehr verständlich. Hier ließe sich sehr viel mehr einsparen und sehr viel mehr für den Klimaschutz tun als mit der Streichung der Dieselsubvention.
Aber es ist falsch, all das Ungemach auf die bestehende Regierungskoalition zu schieben. Denn die Verfehlungen in der Agrarpolitik– massiver Rückgang der Betriebe, starke Abhängigkeit von Subventionen, unzureichender Schutz von Gewässern, Biodiversität, Böden und Klima – reichen weit zurück und sind in erster Linie der CDU/CSU anzulasten. Keine Partei hatte so lange das Bundeslandwirtschaftsministerium inne und konnte die Agrarpolitik so prägen wie CDU und CSU: 51 Jahre lang stellten sie den Minister bzw. die Ministerin, zuletzt von 2005 bis 2021.
Was es nun braucht, ist ein ernsthafter, verlässlicher, auf die zukünftigen ökologischen und sozialen Anforderungen gerichteter Umbau der Landwirtschaftspolitik. Mit der Ausarbeitung der Zukunftskommission Landwirtschaft und den Empfehlungen der Borchert-Kommission zum Umbau in der Tierhaltung gibt es bereits gute Ansätze, die aber bislang von der Politik nicht angepackt wurden. Nicht die Streichung des Zuschusses beim Agrardiesel ist das eigentliche Problem, sondern die geringe Bereitschaft der Deutschen und des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels, für Lebensmittel Preise zu zahlen, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten, für Tierwohl sorgen und gleichzeitig eine angemessene Entlohnung für die Bäuerinnen und Bauern ermöglichen.
Zurück nach Berlin zur Demo „Wir haben es satt“
Wie in jedem Jahr ging es auch diesmal wieder um ein gutes Auskommen in der Landwirtschaft, aber auch um den Erhalt einer lebenswerten Welt für die nächsten Generationen. Die Worte auf dem Podium waren dabei mahnender als sonst. Die Dringlichkeit globaler Herausforderungen nimmt zu. Wir haben die Wahl: zwischen einer ökologischen Politik und dem ökologischen Zusammenbruch. Und: Wir alle haben es echt satt, jedes Jahr wieder nach Berlin fahren zu müssen, um Dinge bei der Politik einzufordern, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müssten. Wie gut täte da nicht nur die Präsenz vieler Menschen unterschiedlichster Initiativen, sondern auch der Schulterschluss aller Bäuerinnen und Bauern! Was wäre das für eine Kraft!
Dr. Michael Rittershofer
Geschäftsführer